Mit Pfeil und Bogen durch den Wald rennen, mutig über Bäche klettern und am Feuer Lieder singen – meine Erinnerungen an das Indianer-Spielen in meiner Kindheit sind immer noch sehr präsent und als grosse Freiheit mit Mut und Stärke, Abenteuerlust und Gemeinschaft abgespeichert. Auch unsere Kinder lieben die Spiele und Geschichten von mutigen Kriegerinnen und kühnen Helden. Aber darf man heute noch Indianer spielen?
«Ja, aber.»
Wir von KILUDO finden: Ja, aber. Und dieses «Aber» ist uns sehr wichtig. Wir als Erwachsene haben die Verantwortung unseren Kindern einen respektvollen, wertschätzenden Umgang mit anderen Kulturen und Völkern beizubringen. Wieso also nicht das Spiel oder den Partymottowunsch der Kinder nutzen, um mit ihnen über die reale Geschichte und Kultur der Native Americans zu sprechen? Das gibt uns die Möglichkeit, das Interesse der Kinder an der indigenen Kultur und Geschichte zu fördern. Grundsätzlich ist es wichtig, die Kinder dabei zu unterstützen, ihre Spiele und Aktivitäten auf eine Weise anzupassen, die sowohl für sie als auch für die indigenen Völker angemessen ist. Dafür haben wir Euch in diesem Blog ein paar Infos und praktische Tipps zur Umsetzung zusammengestellt.
Der Begriff «Indianer»
Der Begriff «Indianer» ist aus einem Missverständnis entstanden, denn als Christoph Kolumbus 1492 in Amerika ankam, glaubte er, er sei in Indien gelandet und nannte die Einwohner «Indios» oder «Indianer». Der Begriff fasst unterschiedliche indigene Völker Amerikas zusammen und wird ihren vielfältigen Kulturen, Sprachen und Traditionen nicht gerecht! Die Distanz von Amerikas West- bis zur Ostküste ist bedeutend weiter als von Lissabon bis Kiev – trotzdem würden wir die europäische Urbevölkerung nie unter einem Nenner zusammenfassen. Genauso mannigfaltig wie die europäische Urbevölkerung ist auch die amerikanische.
Zusätzlich betont der Begriff «Indianer» die kolonialen Machstrukturen und erinnert an die Unterdrückung und Ausbeutung durch die europäischen Eroberer. So widerspiegelt dieser Begriff eine Geschichte von Diskriminierung und Gewalt. Stattdessen bevorzugen viele indigene Völker heute, dass man sie mit ihren korrekten ethnischen oder kulturellen Namen anspricht, wie z.B. Navajo, Cherokee oder Inuit. Wenn man also über indigene Völker spricht, sollte man respektvoll und präzise sein und sich bemühen, ihre Kulturen und Perspektiven auf angemessene Weise zu ehren.
Bedeutung der Federn
Federn haben eine große symbolische Bedeutung in vielen indigenen Kulturen Amerikas und wurden oft in Kleidung und Schmuck verwendet, um die spirituelle und kulturelle Identität der Menschen zu kennzeichnen.
In einigen Kulturen repräsentieren Federn den Glauben an die Verbindung zwischen den Menschen und der Naturwelt. Sie symbolisieren die Freiheit, die Luft und die spirituelle Verbindung mit der Welt jenseits der physischen Realität. In anderen Kulturen werden Federn als Zeichen von Macht, Stärke und Weisheit gesehen. Sie können auch verwendet werden, um bestimmte Tiere oder Gottheiten zu repräsentieren, die eine wichtige Rolle in der Kultur spielen.
In Bezug auf den Kopfschmuck ist der Federschmuck oft ein wichtiger Teil des Regalia (Kleidung und Accessoires) von Kriegern und spirituellen Führern in vielen indigenen Kulturen. Der Kopfschmuck kann je nach Stamm, Region und Zweck des Schmucks sehr unterschiedlich aussehen und kann von einer einzigen Feder bis hin zu einem komplexen Muster von verschiedenen Federn reichen. Der Gebrauch von Federn und anderen traditionellen Elementen hat in vielen indigenen Gemeinschaften also ein bedeutungsvolles spirituelles und kulturelles Erbe.
«Grundsätzlich ist es wichtig, die Kinder dabei zu unterstützen, ihre Spiele und Aktivitäten auf eine Weise anzupassen, die sowohl für sie als auch für die indigenen Völker angemessen ist.»
Wie spreche ich mit meinem Kind darüber
Wenn Dein Kind den Wunsch äussert einen Indianergeburtstag zu feiern, mache es darauf aufmerksam, dass dieser Begriff eine Vielzahl von ursprünglichen Völkern in Amerika bezeichnet und diese Völker sich selbst nicht «Indianer» nennen. Sucht Euch eines der indigenen Völker aus und versucht etwas über ihre Kultur, Kleidung und Bräuche herauszufinden.
Plant Ihr für den Geburtstag eine Kostümparty zu feiern oder eine unserer Bastelideen umzusetzen, versucht etwas über einen Brauch oder ein spezielles Accessoires des Volkes herauszufinden, für das Ihr Euch besonders interessiert.
Vorschläge für die Party:
- Teilt die Partygesellschaft in zwei unterschiedliche Völker auf, die dann am Geburtstag zusammenkommen und mit traditionellen Speisen ein friedliches Fest feiern. Eine traditionelle Speise der Sioux (einer Gruppe von nordamerikanischen Völkern) ist Wojapi, eine Art Fruchtpudding, der aus Beeren, Wasser und manchmal auch Zucker oder Honig hergestellt wird. Traditionell wurden dafür wilde Früchte wie Heidelbeeren oder Holunderbeeren verwendet. Oder macht Popcorn aus blauem Mais, den die Sioux angebaut haben und den man auch bei uns wieder vermehrt findet.
- Bei den Sioux zum Beispiel werden Federn auch als Belohnung für Mut oder eine herausragende Tat verliehen. Das könntet Ihr bei Spielen nutzen und den Sieger*innen eine Feder verleihen und im Kopfschmuck ergänzen.
- Die Kinder können sich als historische indigene Krieger oder Anführerinnen verkleiden und ihre Kostüme und Accessoires auf historischen Quellen basieren lassen. Googelt dafür die Kleidung Eures Volkes oder holte Euch ein Buch in der Bibliothek.
- Die Kinder können Rollenspiele machen, in denen sie indigene Charaktere spielen, die verschiedene Aspekte der Kultur und Geschichte repräsentieren. Bereits mit der Einladung erhalten die Kinder ihre Rolle mit genaueren Infos dazu. Bei den Dakotas z.B. gab es streng hierarchische Strukturen: Die Anführer*innen, die das Volk auch spirituell führten; die Ältesten, die aufgrund ihres Alters und ihrer Weisheit respektiert waren; Arbeiter*innen und Handwerker*innen, die ebenfalls dank ihrer Fertigkeiten grosses Ansehen genossen.
Wir wünschen Euch viel Spass beim Entdecken einer anderen Kultur, beim Vorbereiten, Basteln und natürlich beim Spielen und Feiern!
Der Traumfänger
Die Legende besagt, dass Traumfänger von einer weisen Frau des Ojibwe-Volkes erschaffen wurden, die von einer Spinne inspiriert wurde. Die Spinne soll ihr gezeigt haben, wie man ein Netz knüpft, um schlechte Träume abzuwehren und nur die guten Träume durchzulassen.
Traditionell bestehen Traumfänger aus einem Kreis aus Weidenzweigen, der mit einem Netz aus Garn oder Schnur umwickelt ist, das wie eine Spinne aussieht. Federn und Perlen werden oft am Boden des Traumfängers angebracht, um das Aussehen und die Bedeutung zu vervollständigen. Die Bedeutung von Traumfängern variiert von Stamm zu Stamm, aber im Allgemeinen sollen sie dazu beitragen, die schlechten Träume abzuwehren und nur die guten Träume durchzulassen. Die Federn am Boden des Traumfängers sollen die guten Träume einfangen und zurück in den Schlafenden bringen, während die schlechten Träume durch das Netz gefangen und am Morgen vom Sonnenlicht zerstört werden
--> Zur Bastelanleitung «Traumfänger»
--> Zu weiteren KILUDO Indianer-Ideen
Über Fabienne:
Fabienne Schweizer ist Projektleiterin bei KILUDO, Gestaltungspädagogin und Mutter von drei Kindern. Bis sie ihren heutigen beruflichen Platz bei der kreativen Arbeit mit und für Kinder gefunden hat, nahm sie einige Umwege. Von dem dabei gesammelten Wissen dürfen wir nun profitieren: Als Ethnologin und Kulturanthropologin ist Fabienne sensibilisiert für die Themen Kultur und Gendergerechtigkeit.